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AutorenbildMarko Thomas Scholz

Die Widerspruchslösung ist vom Tisch

Die Ethik der emotionalen Erpressung des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU) war für die Mehrheit der Abgeordneten des Deutschen Bundestages kein gangbarer Weg.



»Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.«, steht im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (Art. 2 Abs. 2 GG). Dort steht nicht: »Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, sofern er rechtswirksam einer Organentnahme widerspricht.« Diese auf den ersten Blick unscheinbare Nebenbedingung rückte mit der seitens der Bundesregierung jüngst in Angriff genommenen Novelle des Transplantationsrechts immer mehr ins Zentrum der öffentlichen Debatte und offensichtlich auch ins Bewusstsein unserer Volksvertreter.


In Wahrheit ging es um mehr, um viel mehr, als nur um unsere Organe.

Das Abstimmungsergebnis vom 16. Januar 2020 war keineswegs eine Randerscheinung polit-ideologischer Rivalitäten, wie sie im parlamentarischen Alltag üblicherweise zu beobachten sind. Dieses Votum war vielmehr ein großer Sieg der Verteidiger einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung über die Mitglieder einer kollektivistisch-totalitären Politclique, deren Interessen von der latenten Ausdehnung staatlicher Eingriffsrechte getrieben sind und deren politische Arbeit schlussendlich in einem gesellschaftlichen Paradigma kulminiert, in welchem der Staat maßgeblich in den Allokationsmechanismus des Marktes eingebunden ist. In Wahrheit ging es bei dieser Abstimmung um mehr, um viel mehr, als nur um menschliche Organe. Ein Staat, der seine Bürgerinnen und Bürger zu Organspendern mit Vetorecht macht, und sie auf diese Weise verpflichtet einer Organentnahme zu widersprechen, hat zwangsläufig Zugriff auf einen gewaltigen Datensatz in welchem genau jene Individualentscheidungen gespeichert sind und verwaltet werden müssen. Dem Staat liegen in einem solchen Regime folglich repräsentative Informationen über die Präferenzordnungen des gesamten Volkes zu Füssen. Die Frage ist also, was der Staat mit diesen Informationen anfängt, wie und wozu er diese Datenpunkte konkret verwendet. In der Presse ist diese Frage bislang nicht ansatzweise in Erscheinung getreten, geschweige denn einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht und diskutiert worden.


Denkbar wäre ein staatlicher »Anreizmechanismus« der folgenden Art: Menschen, die eine Organspende benötigen werden bei der Transplantation bevorzugt behandelt, wenn sie seit mindestens fünf Jahren vor dem medizinisch notwendigen Eingriff Organspender gewesen sind. Die Informationen darüber, wer einer Organspende bereits widersprochen hat und wann der Widerspruch erfolgte, liegen dem Staat bereits vor. Denkbar wäre aber auch ein Bonuspunktesystem für Versicherungsnehmer der gesetzlichen Krankenkassen. Versicherte, die einer Organspende nicht widersprochen haben, kommen vergünstigt oder sogar komplett kostenlos in den Genuss medizinischer (Zusatz-)Leistungen. Vom Organhandel mit staatlicher Billigung wäre eine solche Gesellschaft nicht mehr sonderlich weit entfernt. Denkbar wäre sogar eine »Respektrente« zur Abwendung von Altersarmut bei Beziehern einer zu geringen gesetzlichen Altersrente. Anspruchsvoraussetzung wäre die Bereitschaft zur Organspende. Von heute aus betrachtet mögen sich solche skizzenhaft umrissenen Szenarien wie surreale Utopien anhören. Doch Utopismus ist nichts weiter als eine Nebenbedingung des Totalitarismus.


Die sog. »Widerspruchslösung« war eine Idee von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Wofür das »C« in CDU steht, wäre nach seinem politischen Vorstoß Wert vom berühmtesten Detektiv der Welt, nämlich von Sir Arthur Conan Doyles Romanfigur Sherlock Holmes aufgeklärt zu werden. »Christlich« kann es jedenfalls nicht sein, es sei denn aus der Ethik die Jesus von Nazareth zugeschrieben wird, ließe sich eine Moral der emotionalen Erpressung ableiten.




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