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AutorenbildMarko Thomas Scholz

Merkels messianischer Eifer

Die Politik der Bundeskanzlerin wird, nach irdischen Maßstäben, immer absurder. Es kommt einem so vor, als wähne sie sich zu Höherem berufen—zu einer Erneuerung unseres Lebens.



Die Energiewende und der Hambacher Forst, der Klimawandel und die Aktivisten von »Fridays for future«, »Refugees Welcome«, Carola Rackete auf der »SeaWatch«, zuletzt »Black Lives Matter« und schließlich das von Kopf bis Fuß auf Impfung eingestellte Robert-Koch-Institut—in der deutschen Tagespolitik, so scheint es, breitet sich ein neuer, ressortübergreifender Topos aus. Von den Menschen hierzulande, den Wählerinnen und Wählern also, verlangt er nichts weniger, als eine vollständige Wandlung ihrer Lebenseinstellungen und die uneingeschränkte Übernahme des Postulats einer universellen Menschlichkeit.


»Was immer Frau Merkel antreibt, es ist nicht von dieser Welt. Das wirkliche Leben, die Realität, hat diese Frau allerspätestens seit 2015 verlassen.«

Vordergründig betrachtet mutet diese politische Entwicklung ebenso naiv wie befremdlich an. Genau besehen jedoch ist hier, in eben diesem Topos, der Ursprung schwerwiegender gesellschaftlicher Verwerfungen zu verorten. Ein Staat, der einen gänzlich anderen Umgang aller Menschen mit sich selbst und mit den anderen fordert, ein Staat, der eine Perspektivdrehung in der Betrachtung der menschlichen Wirklichkeit anstrebt, setzt sich, beabsichtigt oder nicht, ganz konkret dem Verdacht aus, eine Erlöserfunktion übernehmen zu wollen, eine Erlöserfunktion, ähnlich jener, die bereits das frühe Christentum für sich in Anspruch nahm. Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass die Bundeskanzlerin, die diesen messianischen Topos nicht nur wie eine zweite Haut ständig mit sich umherträgt, sondern sich sogar realiter anschickt, ihn auf den letzten Metern ihrer Amtszeit programmatisch zu verwirklichen, dass diese Frau also als Pfarrerstochter aufwuchs und achtzehn Jahre lang Vorsitzende einer Partei gewesen ist, die nach eigenem Bekunden ein christliches Wertegerüst für sich in Anspruch nimmt. Religiöse Erlösung und säkulare Machtpolitik gehen aber nicht Hand in Hand.


Eine Wandlung der Lebenseinstellung von Menschen kann überhaupt nur durch eine Verwandlung der Menschen von innen gelingen. Bedient sich ein Staat indes repressiver Instrumente, um den Mitgliedern der Gesellschaft eine Wandlung ihrer individuellen Lebenseinstellungen abzupressen, weil die Regierungschefin sich dazu berufen fühlt einer persönlichen messianischen Bestimmung zu folgen, handelt es sich fraglos um den Versuch einer Verwandlung der Gesellschaft von außen. Eine solche muss mittel- bis langfristig immer scheitern. Teile der Bevölkerung empfinden derlei Eingriffe des Staates in die eigene Lebensplanung und —wirklichkeit als Bevormundung und lehnen sich dagegen und auch gegen den Staat selbst auf.


Eine mit repressiven Maßnahmen umgesetzte Politik mündet früher oder später in gesellschaftliche Unruhen, Bürgeraufstände oder gar in eine bürgerliche Revolution. Schlimmstenfalls erwächst in Deutschland bis dahin ein neo-jakobinischer Tugendterrorstaat, der seine Staatsfeinde im eigenen Volk vermutet und es deshalb mit aller Macht unterjocht. Sollte es, dank der Merkel’schen Bevormundungs- und Erlösungspolitik, tatsächlich so weit kommen, wäre ihre Kanzlerschaft, historisch betrachtet, in der Tat als Grundsteinlegung für die Errichtung einer DDR 2.0 zu interpretieren.


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