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  • AutorenbildMarko Thomas Scholz

Zur Ideologie des Totalen Kapitalismus (Teil 2)

Der Begriff »Great Reset« von WEF-Gründer Klaus Schwab, wörtlich übersetzen lässt er sich mit »Großer Neustart«, erzeugt die Illusion einer Zäsur, als würde eine Epoche enden und eine neue beginnen. Diese Illusion ist bereits Teil der Ideologie des »Totalen Kapitalismus«.



Humanismus war gestern. Spätestens seit Abu Ghraib und Guantanamo, allerspätestens seit Bekanntwerden der im Irak unter US-amerikanischer Flagge begangenen Kriegsverbrechen, ist der Humanismus ins Hintertreffen geraten. Mehr und mehr ist stattdessen der Transhumanismus in Erscheinung getreten und hat bereits Fahrt aufgenommen. Freilich ist Transhumanismus ebenfalls von gestern, eigentlich sogar von vorgestern—der Zoologe Julian Huxley, ein leidenschaftlicher Befürworter und Förderer der Eugenik und ganz nebenbei Bruder des berühmten Schriftstellers Aldous Huxley (Brave New World), hatte ihn erstmals 1957 in einer Publikation verwendet (siehe hier)—, doch 2020, mehr als 60 Jahre nachdem der Begriff von der Bildfläche verschwunden war, tauchte er wieder auf, urplötzlich, und zwar im Dunstkreis von Klaus Schwab, dem Gründungsdirektor des World Economic Forum, und seinem Buch »COVID19: The Great Reset«. Nach der Ideologie des Totalen Kapitalismus, einer marktradikalen Ideologie hart an der Grenze zum Neofeudalismus, die alle Voraussetzungen erfüllt, um mit den Zielen des Transhumanismus zu verschmelzen, nach dieser Ideologie, die in China bereits praktische Anwendung findet, in der Maske eines Sozialkreditsystems, nach dieser Ideologie ist die Spezies Mensch der Feind. Der Mensch, so die Ideologie,


  1. zerstört die Umwelt,

  2. ist für den weltweiten Klimawandel ganz alleine verantwortlich,

  3. hat die Erde nicht nur bevölkert, sondern mit seinen (derzeit) rund 8 Milliarden Artverwandten sogar übervölkert,

  4. verbreitet Viren,

  5. verbraucht zu viel Energie,

  6. arbeitet zu langsam (Maschinen könnten das schneller),

  7. fällt krankheitsbedingt zu oft aus (Maschinen werden niemals krank),

  8. ist bei der Arbeitsplatzsuche nicht mobil genug (Maschinen funktionieren überall),

  9. ist als Produktionsfaktor zu teuer (Maschinen sind weniger kostenintensiv),

  10. ist kriminell (Maschinen begehen keine Verbrechen),

  11. fährt SUV,

  12. reist zu viel mit dem Flugzeug,

  13. macht Kreuzfahrten auf dem Meer, etc.


Mensch sein ist nach der Ideologie des Transhumanismus nicht länger erstrebenswert. Mensch sein ist neuerdings toxisch. Es verwundert daher nicht, dass die Stakeholder des Totalen Kapitalismus (Big Pharma, FinTech, Intangible Industry, Big Data, Public Service etc.) das gleiche Lied singen. Ob diese Ideologie von der überwältigenden Mehrheit der Völker akzeptiert werden wird, hängt entscheidend davon ab, ob es der Politik gelingt, alles Menschliche zum Feindbild und quasi als etwas ewig gestriges zu framen. Und dieses Framing hat bereits begonnen. Konnte man noch vor 2020 Dritten gegenüber von jemand anderem sagen: »Das ist ein Mensch!«, jeder hätte gewusst, wie der Satz gemeint ist. Würde man das heute, also im Jahr 2022 sagen, würde der Ausspruch schon seiner Ambiguität wegen, eine ganze Reihe fragender, unbeholfener Gesichter hinter sich herziehen.


Menschenrechte halten uns nur auf.

Humanist sein zu wollen, darf heute nicht mehr als etwas Erstrebenswertes angesehen werden. Wer am Puls der Zeit sein will, wer dazu gehören will, wer nicht mit dem alten, dem ewig gestrigen in Verbindung gebracht werden möchte, der hat gar keine andere Wahl, der muss Transhumanist sein. Nur dann hat man die Zeichen der Zeit erkannt, nur dann gehört man dazu, nur dann ist man bereit für die Zukunft. Alle anderen, alle, die das nicht wollen, alle, die ihre Menschlichkeit nicht aufgeben, sondern an ihr festhalten wollen, die sich eventuell sogar an ihr festklammern, sind Vergangenheit, sind analog, sind nicht digital, denken nur an sich, denken nicht an die Gesellschaft als Ganzes, sind schuld daran, dass nichts voran geht, dass sich nichts entwickelt, halten uns nur auf, bremsen uns aus, sind uns ein Klotz am Bein, sind rechts, sind Nazi, sind das Böse schlechthin, sind der Feind. Wer Menschenrechte für sich und seinesgleichen reklamiert ist ein Feind, ein Gesellschaftsfeind. Gesellschaftsrechte sind es, was wir jetzt brauchen. Gesellschaftsrechte sind jetzt gefragt; sie sind es, die an die Stelle der Menschenrechte treten müssen. Menschenrechte dagegen halten uns nur auf. Menschenrechte sind von gestern. So etwas altmodisches wie Menschenrechte können wir uns nicht leisten, die müssen wir aufgeben, die müssen wir hinter uns lassen, sie überwinden, damit wir uns weiter entwickeln können, damit wir digitaler werden können, damit wir unsere Körper, unsere menschlichen Körper, unsere zerbrechlichen menschlichen Körper überwinden können, damit wir transhuman werden können.


Die Natur, was ist schon die Natur, was hat sie aus uns gemacht, die Natur? Sterblich hat sie uns gemacht. Wir wollen aber unsterblich sein. Wir müssen unsterblich sein. Und das können wir auch. Wir können unsterblich sein. Auch dafür steht der Transhumanismus, für die Untersterblichkeit. Wer sich dem Transhumanismus verschließt, verhindert, dass wir alle unsterblich werden, dass die Gesellschaft als Ganzes unsterblich wird. Mit solchen Menschen, solchen in der alten Welt hängen gebliebenen Menschen, sterblichen Menschen, wollen wir nichts zu tun haben. Von ihnen müssen wir uns trennen. Am besten wir fangen damit an, sie auszusondern. Sollen Sie doch ihren Willen haben, sollen sie sterben, wenn sie es unbedingt wollen. Aber ohne uns, ohne uns Transhumanisten. Uns gehört die Zukunft, den Humanisten gehört sie nicht. Wir, die Transhumanisten werden die nächste Entwicklungsstufe erreichen, die anderen, die Humanisten werden das nicht.



Zugegeben, einige Formulierungen in den beiden vorherigen Textabschnitten sind reichlich zugespitzt und klingen entsprechend dystopisch. Andererseits ist es an der Zeit aufzuwachen und Augen und Ohren nicht länger zu verschließen vor den unmittelbar bevorstehenden Veränderungen. Will man jemanden wachrütteln, sollte man die Samthandschuhe vorher ausziehen. Was Totaler Kapitalismus nach chinesischem Vorbild tatsächlich bedeutet, wie menschenverachtend die Ideologie dahinter ist, das dürften die wenigsten Menschen im Westen bislang realisiert haben. Der beste Weg diese Leute ihrer Lethargie, ihrem Dämmerzustand zu entreißen, ist, sie damit zu konfrontieren, was auf sie zukommt, wenn sie weiter still und schweigsam in ihrer Komfortzone verharren und sich einreden, sie könnten ja doch nichts verändern, es würde ja doch keiner hören auf das, was sie sagten, es sei ja egal, wenn man auf die Straße ginge, um zu demonstrieren. Politiker seien eben korrupt. Dagegen könne man als Einzelner nichts tun. Folglich könne man sich jegliche Auflehnung gegen das Establishment gleich ganz sparen. Auch das, auch diese programmierte Resignation, ist Teil der Ideologie des Totalen Kapitalismus. Dass sich der Einzelne dagegen nicht zur Wehr setzen könne, dass die Welt eben von jetzt an digitaler werde, dass Smart Homes und Smart Cities von nun an immer mehr unseren Alltag bestimmen würden, dass das Internet of Things (IoT) und das Industrial Internet of Things (IIoT), dass beide eben zum integrativen Bestandteil unseres Lebens werden würden, dass wir uns dieser Entwicklung eben zu beugen hätten, ob es uns gefällt oder nicht, auch dieser Brainwash gehört zum Totalen Kapitalismus. Das Kapital, sprich die Kapitaleigner, die Investoren, haben neuerdings nicht mehr die Absicht um Erlaubnis zu fragen; den Staat nicht und die Konsumenten schon gleich gar nicht. Der Markt selbst soll keine Option mehr sein, kein Ort, den man aufsuchen kann, wenn man will. Der Markt soll überall sein. Alles soll Markt sein. Immer. Den ganzen Tag lang, die ganze Nacht, das ganze Jahr über, das ganze Leben lang sollen wir uns auf einem Markt tummeln. Mit unseren Smartphones tragen wir ihn in der Tasche, diesen allgegenwärtigen Markt. Er ist unser ständiger Begleiter, wohin wir auch gehen, wo immer wir sind. Da zu sein, im ontologischen Sinne, heißt auf dem Markt zu sein. Nicht, weil man etwas kaufen will, sondern, weil man da ist. Den Markt soll man nicht länger betreten und wieder verlassen können. Im Totalen Kapitalismus betritt man den Markt mit der Geburt und man verlässt ihn erst mit dem Tod wieder. Und sogar dieser Zeitpunkt soll nach dem Willen der Transhumanisten verschoben werden, in Sphären jenseits der Lebenserwartung.


Sind wir, die Konsumenten, gefragt worden, ob wir das wollen? Natürlich nicht! Warum sollte man uns auch fragen? Wenn wir eine eigene Meinung haben sollten zu alldem, dann, das jedenfalls wird uns suggeriert, spielt sie keine Rolle. Unsere Meinung ist irrelevant. Aber natürlich stimmt das so nicht. Unsere Meinung mag für die Transhumanisten keine Rolle spielen. Ihnen mag es egal sein, was wir denken. Aber den Humanisten, jenen, die übrig geblieben sind jedenfalls, denen ist sie nicht egal. Für die Humanisten spielt unsere Meinung nach wie vor eine große Rolle. Unsere Gesellschaft lässt sich gerade spalten. Auf der einen Seite stehen die Transhumanisten und auf der anderen Seite die Humanisten. Noch ist der Spalt ein Riss, nicht besonders breit und auch nicht besonders tief. Noch lässt sich der Riss überbrücken. Noch. Aber es dauert nicht mehr lange, dann ist es kein Riss mehr, der uns voneinander trennt, sondern ein Abgrund. Wenn man aber in einen Abgrund blickt, das wissen wir seit Friedrich Nietzsche, dann blickt der Abgrund immer auch in uns. Dazu dürfen wir es niemals kommen lassen.



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